Baumpflegearbeiten sind Dienstleistungsaufträge

Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen richtet sich nach den formalisierten Vergabevorschriften der öffentlichen Hand. In Abhängigkeit zur jeweiligen Leistungsart können dafür die Regeln für Bau-, Liefer-, Dienst- oder freiberufliche Leistungen in Frage kommen. Die Abgrenzung zu den jeweiligen Leistungsarten bestimmt sich nach § 103 GWB, § 1 VOB/A, § 1 UVgO, § 1 VOL/A, § 50 UVgO.
Diese Einteilung wirkt sich wegen unterschiedlicher Schwellenwerte (z.B. 5.350.000 € bei Bauaufträgen oder 214.000 € bei Dienstleistungsaufträgen) u.a. auf die Frage, ob eine „Oberschwellenvergabe“ (EU-weite Ausschreibung) oder eine „Unterschwellenvergabe“ (nationale Ausschreibung) durchzuführen ist, auf die „Eignungsanforderungen“ der Unternehmer bis zu den im Vertragsvollzug anzuwendenden Vertragsbedingungen der öffentlichen Hand aus.
In der Praxis werden Baumpflegearbeiten vergaberechtlich teilweise nach den Vorschriften der VOB/A dem Wettbewerb und nach der VOB/B dem Vertragsvollzug unterstellt. Damit diese Praxis „vergabekonform“ wäre, müssten Baumpflegearbeiten den „Bauleistungen“ zugeordnet werden können, was vergaberechtlich nicht möglich ist.
Definition Bauleistung
Ein Bauwerk wird als „Ergebnis von Tief- oder Hochbauarbeiten mit dem Zweck, eine wirtschaftliche oder technische Funktion zu erfüllen“ definiert (§ 103 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB). Bauvorhaben haben also die Errichtung oder Änderung eines Bauwerks zum Gegenstand.
Wenn eine Bauleistung vorliegt, richtet sich deren Vergabe nach Teil A der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A). Die Anwendung dieser Vergabevorschrift setzt Arbeiten jeder Art nach den „Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen“ (ATV DIN 18 299 Nr. 2.2.1) voraus, durch die eine bauliche Anlage hergestellt, instandgehalten, geändert oder beseitigt wird (§ 1 VOB/A). VOB-Leistungen, die ausschließlich aufgrund von Werkverträgen ausgeführt werden, müssen mit dem Bau und dem Bauen in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Damit ist auch ausgeschlossen, dass von der VOB reine Leistungen und Lieferungsverträge über Teile, Einrichtungen mit einem selbständigen Nutzungszweck erfasst werden, die von der baulichen Anlage ohne Beeinträchtigung der Vollständigkeit oder Benutzbarkeit abgetrennt werden können.
Ein Bauauftrag wird auch angenommen, wenn es um die Ausführung von Bauleistungen im Zusammenhang mit einer Tätigkeit geht, die im Anhang II der Richtlinie 2014/24/(RL)/EU aufgeführt ist.
Baumpflegearbeiten sind aber weder begrifflich Bauleistungen i. S. des § 103 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB, § 1 VOB/A noch im Anhang II der Richtlinie 2014/24/(RL)/EU aufgeführt. Damit können Baumpflegearbeiten weder nach der VOB/A einem Wettbewerb unterstellt, noch im Vertragsvollzug der VOB/B unterworfen werden.
Nur am Rande: Am Wettbewerb um Bauleistungen können sich auch nur Unternehmen beteiligen, die sich gewerbsmäßig mit der Ausführung von Bauleistungen der i. S. des § 1 VOB/A befassen (§ 6 Abs. 3 VOB/A).
So geht’s richtig
Die von der Anwendung der VOB/A ausgeschlossenen Leistungen unterliegen, soweit es sich um keine Lieferleistungen handelt, den Regeln des Dienstleistungsauftrags, wie er in § 103 Abs. 4 GWB definiert ist. Danach sind Baumpflegearbeiten bis zu einem nach § 3 VgV geschätzter Auftragswert von (derzeit) 214.000 € ohne Umsatzsteuer (Schwellenwert i. S. des § 106 Abs. 1 GWB) nach der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) dem Wettbewerb zu unterstellen, bzw. soweit diese noch nicht angewandt wird (wie z. B. derzeit Hessen, Rheinland - Pfalz, Sachsen - Anhalt) oder, wie bei Kommunen in Bayern und Baden-Württemberg, wahlweise angewandt werden kann, nach der VOL/A.
Bei Überschreitung dieses Schwellenwertes richtet sich das Vergabeverfahren nach der Vergabeverordnung (VgV). Die Arbeiten werden dabei dem CPV-Code 77211500 „Baumpflege“ (Hauptteil: 77200000 Dienstleistungen in der Forstwirtschaft) zugeordnet.
In allen Fällen ist von den öffentlichen Auftraggebern für den Vertragsvollzug die VOL/B zu vereinbaren.
Ausnahme
Eine Ausnahme bilden Baumpflegearbeiten im Zusammenhang mit Bauleistungen. Öffentliche Aufträge, die verschiedene Leistungen wie z. B. Bau- und Dienstleistungen zum Gegenstand haben, werden nach den Vorschriften vergeben, denen der Hauptgegenstand des Auftrags zuzuordnen ist (§ 110 Abs. 1 Satz 1 GWB). Dabei ist auf die wesentlichen, vorrangigen Verpflichtungen abzustellen, die den Auftrag als solchen prägen, und nicht auf die Verpflichtungen bloß untergeordneter oder ergänzender Art, die wiederum zwingend aus dem eigentlichen Gegenstand des Vertrags folgen. Bilden in den (wohl seltenen) Fällen, in denen Baumpflegearbeiten zusammen mit Bauarbeiten vergeben werden, die Bauleistungen den Hauptgegenstand, liegt ein Bauauftrag vor.
Vergabefahren
Für die Vergabe von Baumpflegearbeiten für einen längeren Zeitraum (in der Regel vier Jahre) sind Rahmenvereinbarungen sinnvoll.
Soweit keine „öffentlichen Verfahren“ notwendig sind (§ 8 Abs. 4 UVgO, § 3 Abs. 5 VOLA) ist zur Auswahl der Unternehmer deren Eignung vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zu prüfen. Dazu bietet sich der Vordruck 124 LD im Vergabehandbuch des Bundes (VHB Bund) an. Zur Durchführung der Vergabe sollten die Vordrucke 631 bis 635, bei Rahmenvereinbarungen die Vordrucke 611 bis 615 VHB Bund verwendet werden.
Dipl.-Verwaltungswirt Hans Schaller,
Lehrbeauftragter der Hochschule Osnabrück für Vergaberecht