Akustische Vergrämung zur Vertreibung aus Brutkolonie zulässig
Der Erhaltungszustand lokaler Saatkrähen-Population werde durch Störmaßnahmen nicht verschlechtert, stellte das Gericht fest.
Der Sachverhalt
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die betreffende Saatkrähenkolonie in der Stadt Achim, die sich am Rande eines innerstädtisch bewaldeten Gebiets befindet, ist eine der größten von insgesamt 18 Brutkolonien im Stadtgebiet mit einem Bestand von ca. 250 Brutpaaren. Wegen des durch die Saatkrähen verursachten Lärms und der Verschmutzung durch Vogelkot beantragte der Kläger, der in der Nähe der Kolonie wohnt, im Jahr 2008 bei dem Landkreis Verden die Erteilung einer Genehmigung zur Vergrämung der Saatkrähen, einer geschützten Vogelart. Diesen Antrag lehnte der Landkreis ab. Dagegen erhob der Kläger nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens beim Verwaltungsgericht Klage mit dem Begehren, die naturschutzrechtliche Zulässigkeit der beabsichtigten Vergrämungsmaßnahmen festzustellen, hilfsweise den Landkreis zur Erteilung von Ausnahmen bzw. Befreiungen von naturschutzrechtlichen Verboten zu verpflichten. Im Frühjahr 2012 störte der Kläger die Saatkrähen der Brutkolonie durch die Verwendung von Krähenklappen und die Beschallung mit Greifvogelrufen, was zunächst zu einer Halbierung der Zahl der Brutpaare führte. Daraufhin untersagte ihm der Landkreis alle weiteren Störmaßnahmen. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens ebenfalls Klage.
Verwaltungsgericht untersagt Vertreibung durch gezielte Erzeugung von Lärm
Das Verwaltungsgericht Stade hatte beide Klagen durch Urteile vom 15. April 2014 mit der Begründung abgewiesen, dass die vom Kläger durchgeführten und beabsichtigten Vergrämungsmaßnahmen nach § 44 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) verboten seien. Dabei könne offen bleiben, ob die Vergrämungsmaßnahmen eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes der lokalen Population der Saatkrähen zur Folge hätten und damit nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG unzulässig seien. Durch die gezielte Erzeugung von Lärm würden die Saatkrähen nämlich gehindert, ihre Nester als Fortpflanzungsstätten zu nutzen. Darin liege eine nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG verbotene Beschädigung der Fortpflanzungsstätten. Eine Ausnahme und Befreiung von diesem Verbot könne der Kläger nicht beanspruchen.
Eventueller Brutausfall wird durch erhöhte Bruttätigkeit in Folge ausgeglichen
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht auf die Berufungen des Klägers diese Urteile des Verwaltungsgerichts geändert. Dabei stellte das Oberverwaltungsgericht fest, dass die vom Kläger geplanten akustischen Vergrämungsmaßnahmen naturschutzrechtlich zulässig sind, und hat die Verbotsverfügung des Landkreises aufgehoben. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die Vergrämungsmaßnahmen den Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG der erheblichen Störung der wildlebenden Tiere der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungszeiten nicht erfüllten. Zwar würden die Saatkrähen durch die vom Kläger in der Zeit von Mitte Februar bis zum Beginn der Eiablage Anfang April geplanten Vergrämungsmaßnahmen gestört und dadurch jedenfalls teilweise zum Verlassen ihrer Nester veranlasst. Diese Störung sei jedoch nicht erheblich im Sinne des Gesetzes, weil sich der Erhaltungszustand der lokalen Population dadurch nicht verschlechtern würde. Es sei nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen zu erwarten, dass die vertriebenen Vögel in und um Achim Ausweichquartiere finden und ein eventueller Brutausfall durch eine erhöhte Bruttätigkeit in den Folgejahren ausgeglichen würde.
Gericht verneint Verstoß gegen Verbot der Beschädigung der Fortpflanzungsstätten
Darüber hinaus stellte das Oberverwaltungsgericht fest, dass die beabsichtigten Störmaßnahmen auch nicht gegen das Verbot der Beschädigung der Fortpflanzungsstätten der Saatkrähen nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG verstoßen würden, da es an einer unmittelbaren Einwirkung auf die Fortpflanzungsstätten fehle und eine nur mittelbare Einwirkung durch Störmaßnahmen gegen die Vögel, die diese Stätten nutzen, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht ausreichend sei.