Glosse "Gift für alle"

Ich bin ein Querulant. Ein Unbequemling. Einer, der sich nur sehr schlecht unterordnen kann, wenn es um Dinge geht, die er als unnütz betrachtet. Oder die er gar als kontraproduktiv einstuft. Ein regelrechter Autoritätslegastheniker. Kriminell dazu. …

Immerhin fahre ich ein amerikanisches Motorrad. War in einem szenetypischen Club. Dem ADAC. Und ich fahre einen Diesel! Mehr geht schon gar nicht…

Und als ich mit ebendiesem Dieselfahrzeug zu einer Objektbegehung unterwegs war und das Autoradio, welches heute „Media-Center“ heißt, die neusten Neuigkeiten aus nah und fern akustisch in meine Ohrengänge wehte, dachte ich für einen Moment, nicht richtig gehört zu haben. Ich habe wohl vor Schreck so stark mein Lenkrad eingeschlagen, dass die Panflöte vom Beifahrersitz in die unendlichen Weiten meines Fahrzeuginneren verschwunden ist. Nun. Die alten Hasen meiner Kollegen (und nur, um nicht mit der Keule der politischen Unkorrektheit getroffen zu werden :-) und Kolleginnen wissen natürlich, was die Panflöte oder irgendwelche anderen leichten Blasinstrumente auf dem Beifahrersitz eines Schädlingsbekämpfers zu suchen haben. Na klar. Falls es zu Akutbekämpfungen kommt, dürfen wir dieses Mittel der Wahl als ausgebildete Fachleute noch völlig uneingeschränkt nutzen, um den pathogenen Resultaten etwaiger Schadnager auf den Pelz zu rücken.

Zu dem ungewollten Lenkradverriss kam es freilich durch eine Meldung des Westdeutschen Rundfunks. Behauptete dort doch der freundliche Sprecher im Radio - Verzeihung: Im Media-Center - mit seiner sonoren Stimme, eine Stadt im Ruhrgebiet, die so ähnlich klingt wie die Früchte (Plural) der echten Dattelpalme würde ab sofort aufgrund einer „Rattenplage“ an ihre Bürger am Recyclinghof (das war früher die Müllkippe) gegen Vorlage des Ausweises kostenlos Rattengift ausgeben.

Da ich die Angelegenheit bei dem ganzen Firlefanz, den wir als ausgebildete Fachleute mit teilweise jahrzehntelanger Berufserfahrung in den letzten Jahren mit uns haben anstellen lassen, kaum glauben konnte, musste ich die Sache dann noch einmal recherchieren. Und es fiel mir ein regelrechter Stein vom Herzen, als ich den Text des WDR vor mir sah, in dem es wörtlich heißt: „Um das Rattengift zu erhalten, müssen sich betroffene Bürger am Recyclinghof ausweisen. Dann bekommen sie ein Gift, das auch von nicht geschulten Privatpersonen im eigenen Garten oder Keller genutzt werden kann.“ Auf der Seite eines anderen lokalen Radiosenders heißt es gar (Originaltext): „Die Stadt rät den Bürgern, sich kostenlos Rattengift am Recyclinghof abzuholen. Falls das nichts bringt, will sie einen Schädlingsbekämpfer rufen.“

A-ha! Na dann geht’s ja. Falls Ihr in unsere Richtung ruft: Wir haben keine Kapazitäten mehr frei in den nächsten fünf-, sechs Jahren. Leider.

Tjunge, Junge. Ich bin echt zu alt für den Scheiß, mittlerweile. Hoffentlich ist die Schleiereule in der Lage zu unterscheiden, durch wessen unsachgemäß ausgebrachtes Präparat sie bei der oft zitierten Sekundärvergiftung zur Strecke gebracht wird. Obwohl: Wenn der Laie das Zeug ohne Ahnung in die Büsche schmeißt, handelt es sich wohl eher um eine Primärvergiftung… Und hoffentlich gehen unsere großen-, starken- und einflussreichen Berufsverbände tüchtig auf die Barrikaden. Und hoffentlich lassen wir uns auch weiterhin als ehemals stolze Berufsgruppe schön am Nasenring durch die Manege führen. Wenn es demnächst heißt: „Mottenkugeln helfen auch. Man muss nur so verdammt gut mit den kleinen Dingern zielen…“

Volker Skor

 

Quellen:

www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/datteln-verteilt-kostenlos-rattengift-100.html

www.radiovest.de/vest/lokalnachrichten/lokalnachrichten/archive/2017/07/10/article/-2e72ab8d98.html

www.datteln.de/02_Verwaltung_Politik/Buergerservice/Buergerservice.asp?seite=angebot&id=1146