Wer darf Nagetiere als Schädlinge bekämpfen?

Nachdem im DpS 03/2018 die Rechtslage über Sachkundeanforderungen bei der Nagetierbekämpfung ausführlich erläutert wurde, stellt sich die obige Frage. Eines sollten alle Schädlingsbekämpfungsbetriebe jetzt wissen. Nach der Änderung der Gefahrstoffverordnung 2017 und der Neubewertung der Gefährlichkeitsmerkmale von Rodentiziden (2016) fällt auch die Anwendung handelsüblicher Rodentizide mit blutgerinnungshemmender Wirkung unter den Anhang I Nr. 3 der Gefahrstoffverordnung, wenn sie im Rahmen unseres Gewerbes erfolgt. Mitarbeiter in der Nagetierbekämpfung müssen eine entsprechende Sachkunde nach Anhang I Nr. 3 nachweisen. Aber trifft das auch für Mitarbeiter der Kanalwirtschaft, Wohnungswirtschaft und der Landwirtschaft zu. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) sagt nein!
Das BMAS hat die Deutungshoheit für die unbestimmten Rechtsbegriffe über den Anwendungsbereich des Anhangs I Nr. 3 der Gefahrstoffverordnung. Was bedeuten die Sätze: „berufsmäßige Anwendung bei anderen“ und „nicht nur gelegentlich und nicht nur in geringem Umfang im eigenen Betrieb in dem Lebensmittel hergestellt, behandelt oder in Verkehr gebracht werden oder in einer Einrichtung durchführt, die in § 23 Absatz 5 oder § 36 des ISFG genannt ist“.
Laut dem BMAS gilt der Anhang I Nr. 3 nicht für Hausmeister von Wohngesellschaften, die Schädlingsbekämpfung in Gebäuden der Wohngesellschaft durchführen, sowie Beschäftigte von Abwasserwerken, die Schadnager im Bereich der eigenen Kanalisation bekämpfen. Gleiches gilt für Landwirte, da diese in den meisten Fällen keine Lebensmittel im Sinne der GefStoffV herstellen, behandeln oder in Verkehr bringen. Diese Personengruppen dürfen Schädlingsbekämpfung auch unter Freisetzung von gefährlichen Stoffen und Gemischen im eigenen Betrieb durchführen.

Definition gelegentliche Bekämpfung
Für Beschäftige in Bäckereien, Metzgereien, Krankenhäusern, Tageskliniken und Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Kinderhorte u. ä. gilt der Anhang I Nr. 3 nur, wenn die Schädlingsbekämpfung nicht nur gelegentlich und nicht nur in geringem Umfang im eigenen Betrieb stattfindet. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff wurde 2005 vom Leiter des Gewerbeaufsichtsamtes Bremen und Vorsitzenden des AGS-Arbeitskreises Begasung und Schädlingsbekämpfung kommentiert. Eine gelegentliche Schädlingsbekämpfungsmaßnahme in geringem Umfang findet mit gebrauchsfertigen Kurzzeitmitteln gegen kurzfristig auftretende Schädlinge wie Fliegen, Wespen, Mücken und Ameisen statt, bei der nicht mehr als 2 kg Präparat pro Jahr verwendet wird. Eine Bekämpfung von andauernd eindringenden Schädlingen, wie Schaben, Ratten oder Mäuse mit Langzeitmitteln, oder die Verwendung von giftigen oder sehr giftigen Präparaten unter Einsatz von persönlicher Schutzausrüstung darf nicht erfolgen.
Mitarbeiter ohne anerkannte Sachkunde nach Anhang I Nr. 3 der Gefahrstoffverordnung dürfen in Schädlingsbekämpfungsbetrieben ab März 2018 keine rodentiziden Präparate mehr auslegen, die als spezifisch zielorgantoxisch der Kategorie 1 oder 2 (siehe Tabelle 2, DpS 3/2018) gekennzeichnet sind. Sachkundelehrgänge für die Anwendung von Rodentiziden gemäß des Anhangs I Nr. 3 der Gefahrstoffverordnung werden von der Deula in Kempen und von der TÜV Rheinland Akademie GmbH in Berlin angeboten: Die Deula führt einen 5-tägigen Lehrgang mit Anerkennung nach TRGS 523 durch. Die Prüfung findet an einem zusätzlichen Tag statt. Die TÜV Rheinland Akademie GmbH führt einen 3-tägigen Lehrgang durch, der von Land Berlin als „Sachkunde zur Bekämpfung von Nagetieren als Schädlinge unter Einsatz von gefährlichen Stoffen und Zubereitungen (Rodentizide)“ nach Anhang I Nr. 3 anerkannt wurde. Die Prüfung findet am Ende des letzten Lehrgangstages statt. Für beide Lehrgänge gilt als Anerkennungsvoraussetzung eine 3-monatige Berufspraxis in der Nagetierbekämpfung, die ggf. im Anschluß an den Lehrgang nachgewiesen werden kann.
Dr. Ulrich Ahrens
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